Ein Blick zurück

1168 bestätigte der Camminer Bischof Konrad I. von Pommern dem Kloster Grobe auf Usedom alle Schenkungen der Pommernherzöge. Dabei wird auch eine „villa Solathkeuiz“, ein Gut, erwähnt. Jenseits dieser Ersterwähnung könnte Schlatkow aber auch wesentlich älter sein. 1253 heißt der Ort „Szlatkowe“.

Matrikelkarte der Landesaufnahme von Schwedisch-Pommern, Landesarchiv Greifswald
Matrikelkarte der Landesaufnahme von Schwedisch-Pommern, Landesarchiv Greifswald

Das gleiche Dokument enthält auch die Ersterwähnung von Schmatzin. "Spacenitz" ist slawischen Ursprungs und bedeutet wohl "Tannenbusch". 1426 heißt es Smertzin und 1657 bereits Schmatzin.

Wolfradshof entstand erst 1848 als Vorwerk des Gutes Schlatkow. Es wurde Sitz der Familie von Wolffradt und sie wurde zum Namensgeber.

Matrikelkarte der Landesaufnahme von Schwedisch-Pommern, Landesarchiv Greifswald
Matrikelkarte der Landesaufnahme von Schwedisch-Pommern, Landesarchiv Greifswald

Kulturlandschaft Peenetal

Die Peene ist ein schmaler, nur 85 km langer, meist stiller, vom größten Niedermoor Mitteleuropas umgebener Fluss. Und doch ist er der Schlüssel zur Geschichte einer ganzen Region.

Flüsse waren die Routen, auf denen es frühen Einwanderern, den ersten Bewohnern, möglich war, in fremde, unwegsame Gegenden vorzudringen. Gleichzeitig boten sie den Siedlern als natürliche Hindernisse Schutz. Auch im Mittelalter wurden die Flüsse zu leistungsfähigen, vergleichsweise schnellen und relativ sicheren Handelswegen.

Peenetal Torfstiche
Foto: Chron-Paul, Wikimedia Commons, CC BY-SA3.0

Nur sechs Kilometer von Schlatkow entfernt, beim Dorf Menzlin, finden sich an der Peene noch heute die Spuren eines skandinavischen Handelsplatzes aus dem 9. Jahrhundert: zahlreiche „Wikingergräber“, Reste einer hölzernen Brücke und eine Pflasterstraße. Da der Name der Siedlung nicht überliefert ist, gibt es auch Spekulationen, den Ort mit der wikingischen „Jomsburg“ oder dem sagenhaften Vineta in Verbindung zu bringen. Der heutige Name „Altes Lager“ geht wohl erst auf ein Heerlager des Brandenburgischen Kurfürsten während der Belagerung Anklams 1676 zurück.

Ebenso geheimnisvoll ist die Geschichte der Burg Groswin am gegenüberliegenden Flussufer. Wo ist diese zu verorten und ist sie mit der Geschichte des Klosters Stolpe oder der Stadt Anklam verbunden? Oder sind womöglich beide Orte Zeugnis eines langen friedlichen Zusammenlebens von Slawen und Skandinaviern im vermeintlich „finsteren Mittelalter“?

Nach der darauf folgenden, Jahrhunderte andauernden Geschichte des Flusses als Frontlinie und auch als Landesgrenze ist er heute als „Amazonas des Nordens“ bekannt und eines der größten Naturschutzprojekte Deutschlands. Den Fluss umschließt die Vorpommersche Dorfstraße zwischen den Brücken in Anklam und Jarmen mit touristischen Angeboten und Dörfern mit reicher Geschichte, mit Gutsanlagen, Herrenhäusern, Kirchen und Ausstellungen.

VORPOMMERSCHE DORFSTRAßE e.V.
Die Gemeinde ist Mitglied des Vereins VORPOMMERSCHE DORFSTRAßE e.V., dessen Vereinslogo die Region charakterisiert: Dörfer, Kopfweiden, Bodendenkmale, Landwirtschaft, Gutshäuser, Dorfkirchen rund um den Naturpark und die historische Lebensader Peene.

Das Gutsdorf

Schmatzin, Schlatkow und Wolfradshof haben sich, wie viele Dörfer der Region, nicht als Bauern-, sondern als Gutsdörfer entwickelt. Zentrum des Dorfes war die Gutsanlage mit Ställen, Wirtschaftsgebäuden, einem Gutspark und dem Gutshaus. Hier lebte der Besitzer mit seiner Familie. Landarbeiter, Leibeigene und Tagelöhner, der Wirt, der Schmied und andere Handwerker, die direkt oder indirekt von der Gutsanlage abhängig waren, siedelten im Dorf, das die Gutsgebäude umgibt.

Tafel zum Erbauer Hermann Runge
An vielen Häusern in Schmatzin erinnert eine Tafel an den Erbauer Hermann Runge, seit 1890 Besitzer des "Rittergutes Schmatzin".

Im Dritten Reich, zwischen 1933 und 1945, kam es mit der Ansiedlung von selbstständigen Bauern zu ersten Veränderungen der jahrhundertealten Strukturen. Ab 1945 wurden die Gutsanlagen unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“ aufgelöst, die Äcker parzelliert und Neubauern zur Bewirtschaftung übereignet. Die Gutshäuser wurden häufig zu Wohngebäuden für Flüchtlinge und Vertriebene.

Mit Beginn der Kollektivierung in der DDR ab 1960 fanden viele Gutshäuser Verwendung als Verwaltungsgebäude der „landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPG), oder sie wurden Gemeindezentren, Kulturhäuser, Schulen, Kinderkrippen und -gärten, Dorfgasthöfe oder Konsum-Verkaufsstellen. Diese öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen waren nach der politischen Wende 1990 zum großen Teil nicht überlebensfähig. Viele Gutshäuser und -anlagen, die keinen privaten oder öffentlichen Käufer fanden, fielen dem Verfall anheim.

Maikäfer flieg

„Maikäfer flieg / der Vater ist im Krieg / die Mutter ist in Pommernland / Pommernland ist abgebrannt / Maikäfer flieg!“, heißt es in einem noch heute bekannten Volkslied aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Dieser ließ das Herzogtum Pommern „abgebrannt“ zurück. Wohl mehr als die Hälfte der einheimischen Bevöl- kerung fiel dem Krieg zum Opfer. Das frühneuzeitliche Pommern gilt heute als exemplarisch für das ostelbische Junkertum und die unmenschliche Knechtung des Bauernstandes in Leibeigenschaft.

Das Jahr 1648 war nicht nur für das schwedische Pommern die „Stunde Null“, sondern auch für die pommersche Landwirtschaft. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren viele Höfe Pommerns niedergebrannt und zahllose Äcker lagen brach. Außerdem sanken die Preise für landwirtschaftliche Produkte und die Bauern waren gezwungen, Hilfe bei ihren Grundherren zu suchen. Viele bäuerliche Erbhöfe gingen in deren Eigentum über, konnten so jederzeit „gelegt“, das heißt gekündigt werden.

In diese Zeit fiel die Ausbildung jener berüchtigten, besonders umfassenden Form bäuerlicher Abhängigkeit, die als Leibeigenschaft bekannt ist. Der leibeigene Bauer war Eigentum seines Besitzers und musste als Tagelöhner fortan auf dem Gutshof leben und arbeiten. Dieser „Gesindezwangsdienst“ erstreckte sich auf die ganze Familie des Leibeigenen, selbst auf die Kinder. Die Bauernordnung von 1670 bekräftigte die Leibeigenschaft ausdrücklich. Die königliche Bestätigung der landständischen Privilegien im Jahre 1720 nannte die Leibeigenen gar „ein in den Gütern steckendes und mit angeschlagenes Capital, ohne welchem selbige nicht zu unterhalten und zu cultivieren“ seien. Ergebnis war die fast vollständige Auflösung des Bauernstandes. Der selbst wirtschaftende Bauer hatte sich als unwirtschaftlich erwiesen. Der Übergang zum landwirtschaftlichen Großbetrieb war also keineswegs erst ein Ergebnis der Kollektivierung in der DDR.

Am Ende der schwedischen Herrschaft lebten in Pommern rund 100.000 Menschen, bis zu 70.000 davon waren Leibeigene.

Bauernhäuser in Schmatzin um 1890
Beginnend in den 1890-er Jahren im einheitlichen Stil errichtete Bauernhäuser in Schmatzin

Die Melkerschule Schlatkow

Teilnehmer des Meisterlehrgangs 1937 in der Melkerschule Schlatkow
Teilnehmer des Meisterlehrgangs 1937. Im Bild sitzend von links die Ausbildenden: Melkermeister Rudolf Zieger, Gutsherr Hans-Joachim von Nathusius, Tierzuchtinspektor Walter Ruschek

Auch im Dritten Reich erlangte Schlatkow nochmals überregionale Bedeutung. 1934 wurde in den noch heute vorhandenen Gebäuden der Gutsanlage die Pommersche Melkerschule eingerichtet. Die Melkerlehrwirtschaft für ganz Pommern war eine Einrichtung des Reichsnährstandes, einer ständischen Organisation der nationalsozialistischen Agrarpolitik in den Jahren 1933 bis 1945. Neben der von der Pommerschen Landesver- waltung eingerichteten Schlatkower Schule gab es eine weitere in Hinterpommern. In vierwöchigen Lehrgängen wurden bereits im Beruf stehende Melker zur Meisterprüfung geführt. Neben der theoretischen Ausbildung erfolgte Anschauungsunterricht an einer „Gläsernen Kuh“ und an einem Rinderskelett im Unterrichtsgebäude, das heute im Sprachgebrauch des Dorfes „Melkerschule“ heißt. Der praktische Unterricht erfolgte im Kuhstall des Gutes Schlatkow bei Melkermeister Zieger. Den theoretischen Unterricht erteilte der im Gut arbeitende Tier- zuchtinspektor Ruschek. Auch die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte in den beiden Fachwerkgebäuden der heute unter Denkmalschutz stehenden Gutsanlage.

Nach dem Krieg wurde die Ausbildungsstätte nicht mehr benötigt, Vieh und Land wurden im Zuge der Bodenreform enteignet und verteilt.

Ein gerettetes Kleinod

Dass es die Schlatkower Kirche aus dem 13./14. Jahrhundert heute noch gibt, ist ein kleines Wunder. Bereits im Dreißigjährigen Krieg zerstört und durch die Bewohner wieder aufgebaut schlug 1699 der Blitz ein und die Kirche brannte ab. Sie wurde wieder aufgebaut, jedoch ohne Turm. Statt seiner errichtete man den frei stehenden hölzernen Glockenstuhl, wie er noch heute existiert, mit drei, zum Teil über 500 Jahre alten Glocken.

Aus kaum behauenen Feldsteinen bestehen die Wände, nur die Ecken bilden winklig behauene Granitquader.
Aus kaum behauenen Feldsteinen bestehen die Wände, nur die Ecken bilden winklig behauene Granitquader. Foto: Assenmacher, 2015, wikimedia, CC BY-SA3.0

1985 musste das inzwischen marode Bauwerk baupolizeilich gesperrt werden. Es ist Schlatkower Bewohnern unter Leitung des Diakons Eckhard Buntrock zu danken, dass wertvolles Inventar heute noch existiert. Wo möglich bauten sie dieses aus und sicherten es, bevor am 11. Dezember 1985 der Dachstuhl der Kirche einstürzte. An einen Wiederaufbau in der DDR war nicht zu denken und das Ende der Kirche schien besiegelt. Unerwartete Hilfe kam aus der Bundesrepublik Deutschland in Form des Dorfkirchen-Sanierungsprogramms der Nordelbischen Kirche. Am 13. Oktober 1987 traf die Firma Thiel aus Schönberg bei Kiel mit elf Tiefladern, allen erforderlichen Materialien und Handwerkern in Schlatkow ein. Die Arbeiter wurden nicht nur im Dorf untergebracht und beköstigt, sondern auch mit etwa 10 000 freiwilligen Arbeitsstunden unterstützt.

Das Innere der Kirche in Schlatkow vor dem Einsturz
Das Innere der Kirche vor dem Einsturz

Erhaltene Teile der Kirche wie der spätgotische Ostgiebel wurden restauriert, das Verlorene sichtbar ergänzt. An Stelle des ursprünglichen hölzernen Tonnengewölbes wurde eine flache Decke eingezogen. Am 23. Mai 1988 wurde die neue, alte Kirche durch Bischof Horst Gienke aus Greifswald mit einem Pfingstgottesdienst feierlich eingeweiht.

Zustand der Kirche in Schlatkow 1986
Zustand der Kirche 1986

Unter den drei Kronen

Erst vor gut 200 Jahren wurde Vorpommern preußisch. Davor war die Region anderthalb Jahrhunderte Teil des schwedischen Königreichs.

Die drei Kronen: das Wappen des schwedischen Königreichs
Die drei Kronen: das Wappen des schwedischen Königreichs (Sodacan, Public domain, via Wikimedia Commons)

Nachdem der Westfälische Frieden 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendet hatte, kam ganz Vorpommern zu Schweden. Das Land war verwüstet und durch die Pest gezeichnet. „Unter den drei [Schweden-]Kronen, da lässt sich‘s trefflich wohnen“, wird später eine viel zitierte Beschreibung der folgenden 160 Jahre Schwedisch-Pommerns. Anlässlich von 57 Kriegs-Jahren in dieser Zeit ist eine gewisse Skepsis angesagt. Im Großen Nordischen Krieg der gegen den Schwedenkönig verbündeten Sachsen, Russen, Dänen, Polen und Preußen ist die Region wieder Kampf- gebiet. Schweden verliert letztlich einen großen Teil Pommerns zunächst an Dänemark, dann an Brandenburg. Die nahe Peene wird Grenzfluss und Anklam für 100 Jahre eine geteilte Stadt.

Tatsächlich hat die im Westfälischen Frieden bestimmte „Doppelherrschaft“ des Schwedenkönigs als Herzog von SchwedischPommern und der regionalen Autonomie der Landstände, der Gutsherrschaften und Städte, die ihre Rechte und Privilegien behielten, Vorpommern nachhaltig geprägt. Das Jahr 1807 und der Feldzug Napoleons gegen Preußen bringt Schlatkow dann sogar in die Geschichtsbücher. Der französische Oberbefehlshaber Mortier und der schwedische Generalmajor von Essen handeln den „Waffenstillstand von Schlatkow“ aus. Bestand hat der Friedensschluss allerdings nicht. Erst der Wiener Kongress 1815 beendet die Schwedenzeit in ganz Pommern endgültig.

Zwischen Tradition und Moderne

Der Westfälische Frieden von 1648, der Beginn der Schwedenzeit Vorpommerns, war für über 160 Jahre das heimliche Grundgesetz Schwedisch-Pommerns. Das schwedische Pommern war ein Zwitter: zugleich Territorium des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und Provinz des Königreiches Schweden. Diese „doppelte Staatsangehörigkeit“ im Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges bestimmte die Parallelität königlich-schwedischer und landständisch-pommerscher Landesregierung. Die schwedischen Könige erhielten ihre Ostseeprovinz zwar einerseits „in perpetuum“, also für die Ewigkeit. Anderseits ließ der Friedensvertrag sie hier nur als dem römisch-deutschen Kaiser lehnsverpflichtete Herzöge von Pommern regieren.

Artikel 10 garantierte den pommerschen Ortsobrigkeiten „die ihnen zukommende Freiheit, ihre Güter, Rechte und Privilegien, die sie rechtmäßig erworben oder durch langen Gebrauch erhalten haben“. Es galt die alte landständische Verfassung, „wo jede Stadt, jeder Herrenhof fast einen unabhängigen Staat bildet, [...] wo man gute Einrichtungen wie mit Gewalt einführen muss.“, wie Generalgouverneur von Hessenstein als Repräsentant des schwedischen Königs Gustav III. 1782 an diesen schreibt.

Der Landtag war der verlängerte Arm der Lokalherren. Die Königliche Regierung berief Landtage ein, hatte dort aber keine Stimme. Die Gesetzgebung funktionierte nach dem Prinzip der gegenseitigen Kontrolle über das „Einigkeitsprinzip“. Ein Beschluss konnte nur gefasst werden, wenn sich die Landstände untereinander und mit der Provinzialregierung einig waren. Dieses praktische Veto-Recht beider Seiten ist ein Grund, weshalb Reformen in Schwedisch-Pommern nur schwer und schleppend durchzusetzen waren. Dies brachte das Land in den Ruf besonders behäbig und rückständig zu sein.

Die Königliche Verwaltung war zentralisiert und damit direkter und reformfreudiger. Ihre Macht beschränkte sich aber auf landesherrliche Kompetenzen, die zivile und militärische Verwaltung, Hofgericht, Kirchenverwaltung und Steuererhebung.

Die schwedische Landesaufnahme

Die seit 1906 gültige Flagge Schwedens
Die seit 1906 gültige Flagge Schwedens

Die schwedische Zentralgewalt benötigte für die Besteuerung ihres neuen Landesteils eine Grundlage. Die alten pommerschen Hufenmatrikel waren zu ungenau und nicht auf einem aktuellen Stand. Der schwedische König Karl XI. entschied 1690, die Landesvermessung von einer königlichen Kommission durchführen zu lassen. Mit über 1700 erhaltenen Karten und zugehörigen Beschreibungsbänden ist die Schwedische Landesaufnahme auch heute eine archivalische Quelle einmaligen Ranges für die Erforschung der Geschichte Pommerns.

An der Universität Greifswald begann nach dem Ersten Weltkrieg die wissenschaftliche Auswertung. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde 1936 mit einer Edition begonnen. Die Matrikelkarten und die Beschreibungsbände waren bis zum Zweiten Weltkrieg im Stettiner Staatsarchiv aufbewahrt worden. Gegen Kriegsende wurden diese dann zusammen mit anderen Urkunden nach Schwerinsburg, heute Gemeinde Löwitz, ca. 13 km südlich von Anklam, ausgelagert und dort in einfachen Holzkisten in einem unverschlossenen Schuppen aufbewahrt.

Bewohner und Flüchtlinge, die in Schwerinsburg einquartiert worden waren, wussten nichts von dem Wert der dort eingelagerten Urkunden, Bücher und Karten. Sie nutzen das Holz zum Bau von Kaninchenverschlägen und Bettgestellen. Das vermeintlich „wertlose Altpapier“ wurde als Tütenersatz und als Anzündhilfe verwendet. Der Anklamer Bürgermeister Rudolf Klühs entdeckte eine umherfliegende Matrikelkarte auf der Straße, erkannte den Wert und benachrichtigte den Anklamer Lehrer und Heimatforscher Hermann Scheel. Dieser rettete in einer zweiwöchigen Aktion mit Pferdefuhrwerken alle noch unzerstörten Gegenstände, die aus dem Stettiner Archiv ausgelagert worden waren. Viele Urkunden sind seitdem verloren. Bei den Matrikelkarten hingegen fehlten nur wenige.

Seit 1992 erschienen mehrere Bände mit Übersetzungen der Beschreibungen. Im Landesarchiv Greifswald sind heute 847 Urkarten, 598 Reinkarten und 74 Registerbände vorhanden. Weitere 127 Karten aus dem Bestand des Instituts für Geographie der Universität Greifswald wurden digitalisiert und über das Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Schwedisches Pommern oder Pommersches Schweden?

„So klein Pommern auch ist, so bringt es uns doch mehr Ansehen als fast das halbe Schweden. All die Aufmerksamkeit, die Frankreich und die evangelischen Mächte uns schenken, beruht auf Pommern.“ So ist 1724 beim schwedischen Reichsrat protokolliert. Pommern war für Schweden der prestigeträchtige Brückenkopf auf das europäische Festland, der Garant für die Anerkennung als Großmacht.

Auch als Kornkammer war Pommern für Schweden von Bedeutung. War die schwedische Ernte nicht ertragreich genug, wurde den Kaufleuten in Stralsund, Wolgast und Greifswald die Ausfuhr in fremde Länder schlicht verboten. Rund ein Viertel der Schiffe, die jährlich den Hafen von Stockholm anliefen, kam aus der Provinz. Aber auch Menschen, Ideen und Kompetenzen gingen gen Norden. Ernst Moritz Arndt war Taufpate einer schwedischen Ausprägung der Romantik. Wissenschaftler emigrierten genauso wie viele pommersche Ärzte, die die schwedische Medizin zu modernisieren halfen. In den ersten 100 Jahren schwedischer Herrschaft verschmolzen die Adelsfamilien Schwedens und Pommerns durch gegenseitige Migration zu einer homogenen Oberschicht des Ostseereiches.

Die Bevölkerung Pommerns sah im schwedischen Königreich mit Recht ein Pendant zu Rückständigkeit, Reformunfähigkeit und Leibeigenschaft durch die traditionelle Macht der pommerschen Landstände. Der schwedische Einfluss blieb jedoch auf allgemeine Landesaufgaben und auf den königlichen Landbesitz beschränkt. Geschützt durch die landständische Verfassung wussten die pommerschen Landstände ihre Privilegien und Besitzstände gegen die schwedische Krone zu verteidigen und ihre lokale Macht zu sichern.

Stockholm 1741

Der Waffenstillstand von Schlatkow

Seit 1806 führte Napoleon mit seinen Verbündeten Krieg gegen Preußen und Russland. Unter dem Eindruck der drohenden Besetzung Schwedisch-Pommerns strebte der schwedische Generalgouverneur und Oberbefehlshaber Hans Henrik von Essen Waffenstillstandsverhandlungen mit seinem französischen Gegenspieler Édouard Adolphe Mortier an. Man verständigte sich darauf, die Verhandlungen in Schlatkow zu führen, das für beide Seiten güns- tig nahe der Peene lag. Mortier schreibt:

„Die Zeit des Treffens wird zur Mittagsstunde sein und ich werde mich mit einer Eskorte von hundert Pferden dorthin begeben.“ Von Essen antwortet: „Monsieur Le Genéral! Der Offizier, den Ihre Exzellenz die Ehre hatte mir zu schicken befand den Zustand der Straße als sehr schlecht und er brauchte also viel Zeit, um nach Schlatkow zu kommen. Daher bin ich mit ihm übereingekommen, dass unsere Unterredung heute um vier Uhr nachmittags stattfinden wird[. ...] Ich werde ebenfalls von einer Eskorte von hundert Pferden begleitet.“ Die Verhandlungsführer einigten sich bei ihrem Treffen am 18. April 1807 auf folgende Punkte:

  • Die Peene und die Trebel sollten die Demarkationslinien zwischen beiden Militärmächten bilden.
  • Die schwedischen Truppen sollten sich von den Inseln Usedom und Wollin zurückziehen.
  • Schweden durfte weder den belagerten Städten Danzig und Kolberg, noch sonst einem Gegner Frankreichs Hilfe leisten.
  • Das Territorium Schwedisch-Pommerns durfte nicht von den Truppen der Gegner Frankreichs genutzt werden.

Der Vertrag hält jedoch nicht. Erst der Wiener Kongress 1815 beendet die napoleonische Herrschaft ebenso wie die Schwedenzeit in Pommern.

Matrikelkarte der Landesaufnahme von Schwedisch-Pommern

BII 47 Schlatkow (Sladekow) Amt/Distrikt Wolgast, Oloff (Olaus) Spaak, 1694, Originalmaßstab:
        1:8.333, Landesarchiv Greifswald, Band 53, S. 357 (Digitalisierung: Institut für Geographie und Geologie,
        Universität Greifswald)
BII 47 Schlatkow (Sladekow) Amt/Distrikt Wolgast, Oloff (Olaus) Spaak, 1694, Originalmaßstab: 1:8.333, Landesarchiv Greifswald, Band 53, S. 357 (Digitalisierung: Institut für Geographie und Geologie, Universität Greifswald)